Selbstgemachtes
französisches Instrument
Kompassdose in einem Taschenuhrgehäuse versteckt. Die Uhr ist
nur
ein funktionsloser Deckel. Sie besteht aus einem Zifferblatt mit
feststehenden Zeigerrn, das im Glasrahmen gelötet ist. Die
Krone
lässt sich widerstandslos drehen. Sie ist
nur ein
Druckknopf, der den Deckel öffnet, unter dem der
Kompass
verborgen
liegt. Die Kompassdose ist in einem Holzrahmen eingefasst. Ihr
Eigentümer ließ vermutlich nach dem Krieg seinen
Dienstgrad,
Namen und die Bezeichnung des
Stalags*
eingravieren, in dem er gefangen gehalten worden war. Wenn dieses
Instrument tatsächlich in einem Gefangegnlager hergestellt
wurde,
muss der Handwerker Zugang zu einer guten Werkstatt gehabt haben.
* Abk. für
Stammlager,
d.h. Kriegsgefangenenlager für Mannschaften und Unteroffiziere
S. a.
Kompassuhren.
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Rückansicht des Zifferblatts (l.) und des Kompasses (r.) |

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Datenblatt
Abm.: Ø 45 x 15 mm
Beschriftung:
Capitaine
Albert Joannès
1914
- 1918
321
R.I.*
Stalag
VI G
(*
Régiment d'Infanterie) |
KURZE
ÜBERSICHT DER VON DEN
ALLIIERTEN FLIEGERN WÄHREND DES II. WELTKRIEGES VERWENDETEN
FLUCHTHILFEKOMPASSEN
Während des 2. Weltkrieges versuchten die Geheimdienste der
Alliierten und allen voran das Department M.I.9 (Military Intelligence,
Agentensteuerung und Rückführung von
Militärs aus dem
Einflussbereich der Achsenmächte) den über
Deutschland oder
den durch die Achsenmächte besetzten Gebieten eingesetzten
Fliegern Mittel an die Hand zu geben, um ihnen im Falle einer
Notlandung, eines Absturzes oder der Gefangennahme die
Rückkehr in
die Heimat zu ermöglichen.
Zu diesem Zweck entwickelten sie zahlreiche Möglichkeiten um
Kompasse und Landkarten sowie Lebensmittel, Metallsägen,
Radioapparate usw. in der Missionsausrüstung zu verstecken (so
genanntes
pre-capture
Material). So gab es Uniformen, die sich leicht umdrehen und bei
schneller Entfernung aller Abzeichen schnell in zivile Kleidung
verwandeln ließen oder auch Stiefel, die durch Trennen einer
Naht
zu unauffälligen Stadtschuhen wurden. Das M.I.9 sandte auch
den
Kriegsgefangenen in Offizierslagern (
Offlag)
über Tarn-Hilfsorganisationen Päckchen mit
Fluchthilfematerial (
post-capture).
Jedes 5. Päckchen enthielt Instrumente, die in scheinbar
harmlosen
alltäglichen Gegenständen wie Zahnbürsten,
Bleistiften
oder Büchern versteckt waren. Die englischen Begriffe waren
dove
(Taube) für die "leeren" Päkchen bzw.
naughty
(böse) für diejenigen mit heißer Ware.
Nachgebaute Imitationen werden im Imperial
War Museum verkauft.
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Es gab
viele Typen so genannter escape
compasses
(Notkompasse als Fluchthilfe). Sie gehörten zur Ausstattung
der
Besatzungsmitglieder der Royal Air Force (R.A.F.) bzw. der Royal
Canadian Air Force (RCAF) sowie der Seeleute der Royal Navy und sollten
abgeschossenen Piloten bzw. Kriegsgefangenen auf der Flucht eine grobe
Orientierungsinformation geben. Sie gehörten zum sogenannten escape
pack (Fluchthilfekasten), der
vor jedem Einsatz vom
Aufklärungsoffizier des Geschwaders ausgegeben wurde (links:
ein früher "WWII RAF escape ration and survival pack" mit
Minikompass).
Aufgrund ihres hohen Wertes (Devisen) wurden sie nach der
Rückkehr
der Besatzungen wieder eingesammelt. Sie mussten auch in
Abhängigkeit von den Einsatzgebieten aktualisiert werden, da
sie
u.a. auch auf Seide gedruckte Landeskarten enthielten (rechts:
Banknoten und Karte von Frankreich und Italien - FI). Sie wurden
anscheinend auch an die Army Special Forces ausgegeben. (Beide
Fotos K.F.) |
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Operation Escape
Gadget
Der geniale Erfinder dieser Hilfsmittel, der auch ihre Produktion
plante, beschrieb dieses Abenteuer in
Official Secret,
Clayton Hutton, 1961.
Bild
links: eine
zerlegbare Wasserflasche mit Notration, Uhr und Kompass - (Zum
Vergrößern, Bild anklicken)
Ein 1942 verfasster interner Bericht (
Per
Ardua Libertas
d.h.
"durch Schwierigkeiten zur Freiheit") gibt eine Übersicht der
meisten dieser technischen Lösungen.
Siehe auch die Website (in englischer Sprache)
Paratrooper.
Wir behandeln nachstehend lediglich die Orientierungsmittel wie
Kompasse und Landkarten (siehe hierzu auf
der französischsprachigen Website
Florizel)
den Abschnitt über Landkarten aus Seide).
Bild rechts:
Fluchthilfekompasse aus dem 1. Weltkrieg von F.
BARKER (Foto TML)
ACHTUNG FÄLSCHUNGEN!
BITTE VOR DEM KAUF EINES
RAF-KNOPF-KOMPASSES SORGFÄLTIG LESEN!
Kleine, nicht ausführliche Aufzählung:
1. Ein Miniaturkompass, der in der hohlen Ferse eines Fliegerstiefels
versteckt war.
2. Ein anderer, der in der Unterhälfte eines Knopfes der
Uniform
Nr. 1 (s. Anm.) versteckt war. Der Knopf konnte auseinander geschraubt
werden (zuerst mit Rechtsgewinde, später mit Linksgewinde als
bekannt wurde, dass die Deutschen dahinter gekommen waren...). Davon
gab es viele Varianten: Die Firmen B'HAM Buttons Ltd., FIRMIN und J. R.
GAULT verwendeten unterschiedlich große Kompasse, so dass
zwischen der Außenwand des Knopfes und dem Kompass ein
Zwischenraum bestehen kann. Viele Imitationen werden heutzutage
angeboten.
3. Ein anderer bestand aus zwei HosenlatzKnöpfen: der eine
hatte
eine Spitze und fungierte als die untere Hälfte, auf der der
zweite (magnetisierte) rotieren konnte.
4. Ein Bakelitknopf mit einem Magnetischen Teil.
5. Ein Teil der Gürtelschließe von der Jacke
(Blouson).
6. Eine Rasierklinge für Seeleute der Royal Navy, die nicht
unmittelbar als Kompass zu erkennen war.
7. Die magnetisierten
Metallenden der
Schnürsenekl der Fliegerstiefel.
Anm.: Die Uniform Nr. 1 (Home Dress) war für Paraden und
offizielle Anlässe. Sie bestand u.a. aus einer Jacke mit
Gürgel mit Messingknöpfen vorn und an den
Brusttaschen. Der
Gürtel hatte auch einen Messingkoppel. Am Anfang des Krieges
trugen sie die Besatzungen der Bomber und Kampfflugzeuge, aber sie
trugen später einen Flieger-Kampfanzug (battledress, No2
dress),
dessen Jacke im Rücken mit der Hose geknöpft war. Sie
hatte
schwarze Kunststoffknöpfe. Der Fluchthilfe-Kompass
für den
Kampfanzug war zerlegt in zwei Knöpfen versteckt. Die
Besatzungen,
die in tropischen Ländern eingesetzt waren, trugen sogenannte
KD-Uniformen mit schwarzen Knöpfen und Gürteln. Anzug
Nr. 5
war für die Offiziersmesse reserviert.
Der
berühmteste Typ: als
Teil eines Uniformenknopfes konzipierter Minikompass.
(Zum
vergrößern,
Bilder anklicken)

 
Bild
rechts: typische Besatzung
eines Bombers in No1 Uniform. Der Kompassknopf war einer der mittleren.
Die Besatzungsmitglieder trugen darüber eine dicke mit Fell
gefütterte Jacke, Stiefel usw. Ihr Flugzeug im Hintergrund ist
eine Vickers Wellington V-Victor (1940 - Fotos Michael Curtis).
Bild
unten:
Knopf der kanadischen Streitkräfte (RCAF
=
Royal Canadian Air Force).
.

(Foto
K. F.) |
Das
ursprüngliche Modell
wurde von BLUNT
für das MI9* entwickelt.
Die klassische Form der
Magnetnadel war ein quadratisches Plättchen (mit acht
Spitzen). Nord war mithilfe zweier Punkte aus radiumfarbe.
Später
wurde diese Spitze rot gestrichen, um die Lesbarkeit bei Tageslicht zu
erleichtern.

Datenblatt
- Durchmesser: 15 mm
- Höhe: 4 mm
- Gewicht: 2 g
*
Zitiert aus
"Official Secret" |
Um
Material zu sparen wurde ein
anderes Design entwicket: eine Scheibe
mit vier großen Löchern und zwei kleineren, die auf
einer radialen Linie in Richtung Norden ausgerichtet sind:

Bild unten: Imitation (vermutl. für ein Museum hergestellt).
Man merke das Fehlen eines Herstellernamens und die Form des Gewindes.

(Zum
Vergrößern,
Bild anklicken)
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Unten
und rechts: Private Sammlung

(Foto
oben und r. John) |

(Zum
Vergrößern,
Bilder anklicken)
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US-Uniformenknopf von HAMILTON AERO.
Die beiden Teile
sind über ein Scharnier miteinander verbunden.
 | Leider fehlt hier die Magnetnadel. Fotos ALEX | 
(Bild
entnommen aus "Official Secret"). |

Bakelit-Knopf
an
einem Faden hängend: die zwei
Radiumfarbe-Punkte zeigen nach Norden.

Hosenschlitzknopf, oberer Knopf, magnetisch. Ein anderer Knopf mit
einer Spitze in der Mitte war der Drehzapfen. |

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Diese
Rasierklinge ist in
Wirklichkeit eine Magnetnadel. Auf eine Wasseroberfläche (z.B.
in einem Glas Wasser) gelegt, dreht sie sich so, dass die beiden Pfeile
(die so genannten crow feet,
d.h.
"Krähenfüsse", Symbol des britischen
Kriegministeriums, War Department arrow) nach Norden zeigen. |
Zeitgenössischer
NATO-Miniaturkompass als Halsband konzipiert.
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NATO Stock Number und "Gefahr durch Strahlung"-Warnhinweis an der
Rückseite. |
Datenblatt
Hersteller: Waltham C. Co
- Durchmesser: 17 mm
- Höhe: 4 mm
- Gewicht: 2 gr
- Leuchtende Marschrichtungslinie auf dem Glas.
Der gleiche Kompass war auch als Armbandkompass erhältlich.
(Zum
vergrößern,
Bilder anklicken) |
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Polnische
Piloten
der R.A.F.?
Hersteller: Gaunt & Son
Fotos Tomasz
Zawistowski |

Fotos Col. W. A. Fountain,
USAAC, USAF |

Abk. R.P.A.: s. Anm. rechts |
Kompass
in
Knopfgröße, genäht in den Kleidern.
Anm.: Nach Indiens
Unabhängigkeit 1947 wurde die
Royal Indian
Artillery geteilt und ein Teil davon wurde die Royal Pakistan
Artillery (RPA), die bis 1956 existierte, als Pakistan eine
Republik wurde und das Wort ‘Royal’ fallen
ließ. Dies ist aber nicht konsistent mit einem
anderen Kompass mit derselben Abk. aber aus dem Jahr 1942 (s. MAG.TRNG.),
als es Pakistan
noch nicht gab.
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Gürtelschließe
für Fliegerblouson
Die o.g. Website THE PARACHUTIST schreibt hierzu:
"Die früheren Fliegerblousons der RAF-Uniform hatten zum
Schließen in Hüfthöhe eine gezahnte
Gürtelschließe aus nichteisenhaltigem Metall. Der
Kompassteil bestand aus einer pfeilförmigen Magnetnadel, die
hinter einem Querbalken versteckt war. Der Drehzapfen war im
Ruhezustand zurückgeklappt und lag unter einem Schiebeteil. Um
den
Kompass zu benutzen musste nur das Schiebeteil zurückgeschoben
werden. Damit wurde die Nadel frei und der Zapfen richtete sich auf.
Auf einer stabilen Fläche gelegt konnte die Nadel auf den
Zapfen
gestellt werden. Die mit Punkten aus radiumhaltiger Farbe versehene
Spitze zeigte nach Norden".

In
dieser
Gürtelschließe war eine Magnetnadel unter einem
Schiebeteil verborgen.

Foto Copyright K. F. |
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Bild
anklicken für
Detailansicht der
geöffneten Schließe |
Verschiedene Verstecke
für Landkarten
(Die Bilder sind dem Bericht
Per
Ardua Libertas
entnommen)

Schälbare
Spielkarten. Der
Joker enthält den Schlüssel für die
Zusammenstellung der Gesamtkarte.

In
einer Zigarre zussammengerollte
Landkarte. |

(Zum
Vergrößern,
Bild anklicken)
In einem Bleistift anstelle der Graphitmine zusammengerollte Landkarte.
Karten waren auch im hohlen Absatz der Fliegerstiefel versteckt.
Seidenkarten von FRANKREICH
und DEUTSCHLAND.
(Fotos
J. Greatbatch)
Weitere Bilder von Seidenkarten HIER |

Mit
unsichtbarer Tinte bedruckte
Taschentücher:
das Muster erscheint erst beim Waschen mit einer auch versteckten
Chemikalie. |
Verschiedene Verstecke
für Kompasse
(Die Bilder von gedruckten Fotos sind dem Bericht
Per
Ardua
Libertas
entnommen)

In
einer Zahnbürste bzw.
einem Bleistift versteckte Magnetnadeln.

Solche
Magnetnadeln sollten an einem
Faden aufgehängt werden. |

In
einem Füllfederhalter ware n 2
Baby-Kompasse versteckt. Außerdem waren der
Füllhebel, die
Feder und die Klammer magnetisch und zeigten an
einem Faden aufgehängt nach
Norden. |

Rechts, ein Kompass für Füllfederhalter
(Foto
J. Greatbatch) |

In
einem Manschettenknopf
versteckter Kompass. |

Magnetisierte
Halteklammer
für Bleistifte. |
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Unbekannte Fluchthilfekompasse der USAF?
Ein aufmerksamer Besucher hat uns dieses Bild mit der folgenden
Information gesendet:
"Mein Großvater gab mir diese Objekte vor seinem Tod
1990.
Er hatte in der 8th
Army Air Force 1944 gedient. Er erzählte, dass er sie
zwischen den Zehen trug. Ich bin mir quasi sicher, dass er sagte, es
seien Mini-Kompasse. Sie haben eine Drehspitze innen und eine Schraube
an
der Außenseite."
Kann jemand diese Information bestätigen und ggf. noch mehr
Details dazu liefern?
(Foto Doug
Rulon)
EVAKUIERUNG
VON HONGKONG
NACH DEM
JAPANISCHEN ANGRIFF 1941 - WOHL EIN SCHERZ ?

Nachdem
die Japaner 1941 Hong Kong überfielen, flogen Piloten
der China National Aviation Corporation viele Male hin und
zurück nach Chongqing um Flüchtlinge in Sicherheit zu
bringen . Einer dieser Piloten, Captain Hugh Chen, musste seinen
letzten Evakuierungsflug in einer veralteten, kaum
flugtüchtigen
Vultee
durchführen, aus der die meisten Instrumente ausgebaut worden
waren. Nach dem Start fielen die restlichen Instrumente aus. Es war
jedoch zu dunkel und zu gefährlich nach Hongkong
zurückzufliegen. Da fiel ihm plötzlich ein,
dass er einen "dreigroschen"- Kompass in seiner Westentasche trug, und
damit flog er 700 Miles bis nach Zentral-China! Diese
Geschichte
wurde zumindest so in der US-Presse dargestellt (
Daily
News,
Jan. 1, 1942, pdf).
(Foto
und Text von
P. Gully übermittelt)
Kommentare
von
Piloten:
Diese
Geschichte
kann
so nicht stimmen. Ein Kompass, der sich in maximal 1,5 m Abstand vom
Triebwerk und
von der Cockpitverkabelung befindet, kann überhaupt keine
brauchbare Information liefern, weil diese Umgebung viele
störende
Magnetfelder erzeugt, die viel stärker sind als dasjenige der
Erde. Es
ist bereits eine Glanzleistung mit dem eingebauten und speziell
für das jeweilige Flugzeug kalibrierten Notkompass einen bestimmten Kurs
möglicherweise sogar bei Seitenwind zu
fliegen, aber 700 Miles bei Nacht ohne
Bodensicht mit einem
Spielzeugkompass* zu fliegen
ist einfach
unmöglich.
*
Siehe Werbung
für Spielzeugkompasse